AKTUELLE BEITRÄGE

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Oligarchie in Lüchow-Dannenberg?

Während sich die derzeitigen Landratskandidatinnen und Kandidaten in verschiedenen Veranstaltungen gegenseitig öffentlich versichern, dass es unabhängig vom Wahlausgang unerlässlich sein wird, zukünftig im Landkreis parteiübergreifend zusammen zu arbeiten, bereitet die Mehrheitsgruppe aus CDU, SPD und UWG mithilfe der beiden Abgeordneten der Bürgerliste für die vorletzten Sitzung des jetzigen Kreistags einen Antrag vor, der die Redezeiten von Minderheiten im Kreistag zukünftig massiv einschränken soll. Nicht allein, dass kleine Fraktionen eine weitaus kürzere Redezeit erhalten sollen, als Fraktionen in der Fraktionsstärke der jetzigen Antragsteller und die Grenze auch exakt bei deren Fraktionsgröße eingezogen ist.

Darüber hinaus soll zukünftig ein „Ältestenrat“ aus drei Personen (Anmerkung: vermutlich der drei Mehrheitsfraktionen) mit dem Landrat darüber entscheiden, ob beantragte Tagesordnungspunkte nur als „einfach“ oder gar als „bedeutend“ kategorisiert werden. Für die „einfachen“ Tagesordnungspunkte (vermutlich der Opposition oder der jeweils „anderen“) soll dann die ohnehin marginale Redezeit noch einmal halbiert werden.

Begründet wird dieser Antrag auf Redezeitbegrenzung der ungeliebten Gegenreden vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, Christian Carmienke, damit, dass der Kreistag nur ein Beschlussgremium sei und Debatten in den Ausschüssen statt zu finden hätten. Den Ausschüssen gehören allerdings jeweils nur einige Abgeordnete an und auf kleine Fraktionen oder fraktionslose Abgeordnete entfällt hier nur ein Grundmandat. Wenngleich Anträge in den Ausschüssen vorberaten werden sollen, sieht das Kommunalrecht die Generaldebatte mit einem Antrags-, Frage- und Rederecht für jede*n Abgeordnete*n im jeweiligen „Parlament“, hier dem Kreistag, vor.

Abgesehen davon, dass die von den Mehrheitsparteien beabsichtigte Praxis nach einschlägigen Urteilen wohl rechtswidrig wäre, stellt der Antrag einen einzigartigen Angriff auf demokratische Grundrechte von Abgeordneten und der Opposition dar. Freiheitliche Demokratie lebt ja geradezu von der Debatte und von der Argumentationskraft von Rede und Gegenrede. Besonders peinlich dabei: viele von denen, die jetzt Minderheiten zum Verstummen bringen wollen, haben selber in fünf Jahren im Kreistag wenig oder nichts zu dieser demokratischen Debattenkultur
beigetragen.

„Demokratie ist nicht die Diktator der Mehrheit, sondern nur eine temporäre Regelungsabrede über die Ausübung von Macht“. Pluralistische Demokratie gewährt darüber hinaus nicht nur den verfassungsgemäßen Schutz von Minderheiten, sondern nach den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung auch das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (mit ebenbürtigen parlamentarischen Rechten).

Ich wende mich hier an den Landratskandidaten Hanno Jahn von der CDU und die Landratskandidatin Heike Bade von der SPD:

Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen und rufen Sie bitte Ihre Fraktionen zur Rückkehr in die parlamentarische Debatte auf! Die Geschichte lehrt: Man kann Oppositionen nicht durch Redeverbote oder Redebeschränkungen zum Schweigen bringen. Der freie Diskurs sollte doch im wiedervereinigten Deutschland ebenso zum Grundgepäck der Demokrat*innen gehören, wie im einigen Europa. Auch wenn es bisweilen anstrengend und schwer zu ertragen sein mag, anderen Meinungen und Positionen Gehör zu schenken. Einschränkungen dieser demokratischen Freiheiten, wie in einigen Staaten Osteuropas, leisten dem Zerfall der Gesellschaft Vorschub und erweisen sich mittelfristig immer als Entwicklungshemmnisse.

Lassen Sie uns unseren Parlamentarismus gewaltfrei und mit Respekt voreinander weiter entwickeln!